Schweden | Kungsleden

SCHWEDEN | Kungsleden
Herbst im Fjäll

Der Zug hat nur drei Waggons und in Kiruna muss die Lok auf die andere Seite des Zuges rangiert werden. Dann schliessen sich die Türen und der Zug rollt leise an. Es riecht nach frischen Zimtschnecken, vor dem Fenster zieht die weite Landschaft Lapplands in goldgelben Herbstfarben vorbei...


Stockholm
Metropole Skandinaviens

Gamla Stan
Zentrum zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Es war ein angenehmer Flug und das Flugzeug ist halbleer, sodass ich mir im hinteren Teil zwei freie Plätze suchen kann und unterwegs noch ein bisschen Schlaf nachhole. Schliesslich bin ich seit drei Uhr wach und mit Nachtzug und Bus und das letzte Stück zu Fuss zum Flughafen, weil die regulären Linien um diese Zeit noch nicht fahren. Vom Flughafen Arlanda bin ich schnell in der Stadt: Ein teurer Expresszug fährt direkt in die Innenstadt und mein Hotel ist gleich neben dem Bahnhof. Also lade ich den Rucksack ab und mache mich zu Fuss auf in das historische Zentrum hinter dem Königspalast. Enge Gassen führen zum Gamla Stan, zum zentralen Platz mit der ikonischen Häuserreihe auf der Westseite und dem Nobel-Museum auf der Nordseite. Kurz vor Mittag ist hier noch wenig los und ich streife noch etwas ziellos durch die Altstadt.
Dann wandere ich die wenigen Meter hinunter zum Stockholms Ström und diesen entlang zunächst nach Süden, dann zurück in die umgekehrte Richtung und stehe dann plötzlich vor dem Königspalast. Es nieselt immer wieder ein bisschen und ich bin stark erkältet, also ziehe ich die Jacke fester zu und setze die Kapuze auf. Die Strecke zur Stadtbibliothek ist mir etwas zu weit zum Laufen, also suche ich eine Bushaltestelle.

Gamla Stand, das Zentrum der Altstadt
Der Königspalast von Stockholm

Stadtbibliothek
Bücher Bücher Bücher

Der Stadtbus Nr. 7 bringt mich nach Norden zur Stadtbibliothek, ein fantastisches Gebäude für diejenigen die Bücher lieben. Es ist kurz vor zwölf und vor dem Eingang warten schon einige Leute. Dann geht die Tür auf und alle strömen in den Vorraum, der aussieht wie viele Bibliotheken. An den Wänden stehen Regale voller Bücher, aber nichts besonderes. Unscheinbar führt rechts ein Gang nach hinten zu einen schmalen Aufgang in Form einer Rampe und ich habe kurz das Gefühl, in einem ägyptischen Grab zu sein. Oben angekommen, öffnet sich eine grosse, kreisrunde Halle unter einer grossen Kuppel. Über drei Etagen sind auf allen Seiten Bücherregale angeordnet. Ein Paradies für Leseratten, allerdings wohl nur für diejenigen, die auch Schwedisch lesen können.

Die Stadtbibliothek von Stockholm

Die Vasa
Ein Blick in die frühe Neuzeit

Noch beeindruckender als die Stadtbibliothek ist der erste Blick auf die Vasa, wenn man in das eigens dafür gebaute Museum eintritt und nach ein paar Schritten direkt unter dem mächtigen Bug des Schiffs steht. Die Vasa, das damals wohl modernste Schiff und eines der grössten und am stärksten bewaffneten seiner Zeit sank sechzehnhundertachtundzwanzig auf seiner Jungfernfahrt nach nur wenigen Metern aufgrund einer Instabilität infolge fehlendem Ballast im Schiffsrumpf. Neunzehnhundert-einundsechzig wurde das Schiff dann aufwändig geborgen, restauriert und konserviert. Heute erhalte ich im Museum die einen guten Eindruck über das damalige Leben und der Technik und nähere mich über mehreren Geschossen immer wieder dem Schiff und je länger ich dort bin, desto lebendiger wird die Geschichte und das Leben zur Zeit des Schiffbaus.
Tatsächlich kämpft das Museum aber mit modernster Technik gegen den Verfall, seit das Schiff gehoben wurde. Die vielen Besucher schaffen ein klimatisches Milieu, das für die Konservierung nicht unbedingt förderlich ist.

Die Vasa hat beeindruckende Dimensionen, auch wenn sie offensichtlich nicht gut im Wasser lag

Skeppsholmen & Grönalund

Am Abend mache ich noch eine Runde zu Fuss durch die Stadt. In Stockholm werden die Gehsteige früh hochgeklappt. In Stockholms Gästabud muss ich etwas anstehen, bekomme aber dafür eine tolle Portion Köttbullar und nachdem ich mir damit meinen Bauch vollgeschlagen habe, fühle ich mich in Stockholm angekommen. 
Zur Verdauung mache ich noch ein paar Schritte über Skeppsholmen und dann zurück zum Hotel, wo eine kurze Nacht auf mich wartet, dann die Fahrt zum Flughafen und der Flug nach Kiruna, wo wir quer über das Rollfeld zum kleinen Flughafengebäude laufen müssen.



Kungsleden
Von Kiruna nach Abisko

In die Wildnis

Der Zug hat nur drei Waggons und in Kiruna muss die Lok auf die andere Seite des Zuges rangiert werden. Dann schliessen sich die Türen und der Zug rollt leise an. Es riecht nach frischen Zimtschnecken, vor dem Fenster zieht die weite Landschaft Lapplands in goldgelben Herbstfarben vorbei. Die ersten Berge des Fjälls ragen auf und wir queren wilde Flüsse. Die Farben der Pflanzen wechseln von gelb auf grün, vermutlich ist der spätere Herbstbeginn dem grossen See Torneträsk bei Abisko zu verdanken. Der Zug hält in Abisko und gleich darauf bei der Abisko Touriststation, dem nördlichen Tor zum Kungsleden.
Das Leben der nächsten Tage trage ich nun im Rucksack aus dem Zug und und obwohl ich gut vierundzwanzig Kilo mit mir herumtrage, fühlt er sich bei diesen Gedanken nicht ganz zu schwer an. 
In der Touriststation, der Fjällstation in Abisko kaufe ich noch eine Kartusche Gas und dann schaue ich mir noch den kleinen Canyon an, den der Abiskojåkka unterhalb der Bahnlinie gegraben hat.

Im Zug von Kiruna nach Abisko

Tag eins | Abisko - Abiskojaure
Durch den Abisko Nationalpark


Einmal tief einatmen, dann geht es los. Ich tauche in den Abisko Nationalpark ein und folge dem Weg, der seinerseits dem Flusslauf des Abiskojåkka folgt. Der Himmel ist wolkenverhangen, aber es ist trocken. Es ist eine wunderbare Landschaft. So habe ich es mir vorgestellt, als ich diese Wanderung geplant habe. Der Weg führt durch lichte Birkenwälder, die je länger je mehr von Lichtungen mit Moor- und Heideflächen durchsetzt sind. Schliesslich erreiche ich den See Ábeskojávri. Der Weg steigt etwas an, die Sicht wird weiter, aber der Himmel drückt wolkenverhangen auf die Landschaft und in der Ferne sind Regenschauer zu sehen, deren genaue Entwicklung und insbesondere die Auswirkungen auf mich ich in den folgenden Tagen immer wieder vorherzusehen versuche. Meistens mit begrenztem Erfolg. Einmal werde ich bis auf die Socken nass, dann bin ich wieder hermetisch abgeschlossen und schwitze wie eine Wurst in der Sonne.
Bei der Abzweigung zur Abiskojauresrugorna bleibe ich auf dem Kungsleden und steige durch steiniges, hügeliges Gelände hoch bis zur Grenze des Nationalparks, wo ich auf einer kleinen Kuppe im nun schon recht ausgedünnten Birkenwald in der Dämmerung mein Zelt aufbaue. 

Ein Thron für den König

Tag zwei | Abiskojaure - Alesjaure
Über die Waldgrenze


Der Himmel ist noch grau als ich am Morgen nach dem Frühstück mein Zelt abbaue und loslaufe. Wenig oberhalb, vor der Hängebrücke über den Šiellajohka komme ich bei einem Lagerplatz vorbei, an dem gerade eine Handvoll Wanderer ihre Zelte verstauen und den ich auf der Karte wohl übersehen hatte. Macht nichts, ich hatte ja einen tollen und einsamen Platz für die Nacht. Auf der anderen Seite steigt der Weg weiter an, der Wald lichtet sich aber endgültig und nun lässt sich auch die Sonne blicken. Langsam gewöhne ich mich an die Weite der Landschaft, die den Eindruck vermittelt, dass man den ganzen Tag geht und doch nicht vom Fleck kommt. Ich gewinne weiter an Höhe und erreiche schliesslich die Hochfläche, die von mehreren Seen geprägt ist. Rechts in der Ferne ist eine Siedlung der Samen zu sehen, die allerdings momentan unbewohnt zu sein scheint. Der Wind frischt auf und ich ziehe die Jacke über, als der Weg abflacht. Ich kann mich nicht sattsehen an dieser Landschaft mit den türkisblauen Seen, den glitzernden Gletschern und der Heidelandschaft, die sich bereits langsam in herbstliche Farben kleidet. Es ist schon nach Mittag, der Weg zieht sich und es wird langsam zäh. Das Boot am Alesjávri fährt jetzt im Herbst nicht mehr und ich laufe zu Fuss dem Ufer entlang. Am Ende, bei einem Sandstrand mit unwirklichem Karibikflair gäbe es tolle Zeltplätze, ich möchte heute aber noch mindestens die Alesjaurestugorna erreichen, weil für den morgigen Tag Schlechtwetter vorhergesagt ist. 


Tag drei | Alesjaure - Tjäktja
Regen und die ersten Rentiere


Am Morgen des dritten Tages verschlafe ich mein Zeitfenster, um das Zelt bei trockenem Wetter zusammenzupacken. Zum Glück, denke ich mir, denn kurz darauf prasselt erneut heftiger Regen auf das Zelt. So warte ich bis elf Uhr, packe alles zusammen, aber gerade als ich das Zelt verstaut habe fängt es wieder an zu regnen. Ich laufe los und bin zunächst noch zuversichtlich, kommt doch immer wieder kurz die Sonne zum Vorschein und zaubert tolle Regenbögen in die Landschaft. Regenbögen, von denen ich bald genug haben werde, da ich meist kurz nach deren Erscheinen ordentlich durchgespült werde. Es regnet immer wieder, meist mit nur kurzen Pausen, und der Wind treibt mir den Regen direkt ins Gesicht. Gegen Ende wartet ein Aufstieg und immer wieder sind Bäche zu überqueren, die zu kleinen Umwegen und diversen Zirkusübungen zwingen, damit zumindest die Füsse trocken bleiben. Die Mühe war aber umsonst. Die Schuhe geben irgendwann dem Regen und dem Wasser das an mir herunterläuft nach. Im Regen baue ich bei den Tjäktja-Hütten mein Zelt auf und ergattere noch einen Platz in der Küche der Gästehütte. Die Kleider haben gut gehalten und im Rucksack ist auch alles trocken geblieben, sodass ich zumindest eine angenehme Nacht habe. Beim Abendessen mache ich ein paar tolle Bekanntschaften mit Wanderern aus aller Welt. Diese Begegnungen sind die guten Nebenwirkungen der Schlechtwetterfront.

Heute kommt die Regenausrüstung zum Einsatz


Tag vier | Tjäktja - Sälka
ÜbTjäktjapasseer ins Tjäktjavagge


Die Regenkleidung und die Schuhe sind über Nacht in der Hütte  gut getrocknet und sobald der Regen etwas nachlässt schlüpfe ich aus dem Zelt packe alles zusammen und baue das Zelt ab. Ich frühstücke in der trockenen, warmen Hütte und überlege hin und her, wann und ob überhaupt ich loslaufen soll. Gegen halb zehn lasse ich mich von einer kurzen Regenpause inspirieren und laufe los. Heute erwischt mich der Regen von allen Seiten: vor dem Tjäktjapasset drückt ihn der Gegenwind ins Gesicht, oben kann ich mich in der zufällig geheizten Nothütte kurz aufwärmen. Im Abstieg ins Tjäktjavagge schiebt mich der Regen nach unten und -im Talboden angekommen- weicht es mich abwechselnd von links und von rechts ein. Kurz vor der Hütte hört es aber einen Augenblick auf zu regnen und ein phänomenaler Anblick erwartet mich. Die Hütte liegt auf einem kleinen Hügel im Tal und rundherum wunderschöne Zeltplätze. Ich nutze die Gelegenheit und stelle das Zelt im Trockenen auf und schlüpfe dann gleich hinein, bevor es wieder anfängt zu regnen. Bei einer Tasse heissen Kaffee ist mir das aber für einmal egal.
Alle Mühen und Strapazen sind vergessen, als ich wenig später aus dem Zelt schaue und in der Ferne eine Herde Rentiere sehe. Schnell baue ich das Teleobjektiv auf die Kamera, ziehe die Jacke über und gehe aus dem Zelt. Plötzlich sind überall um die Zeltplätze rund um die Hütten Rentiere, ganz nah und ich kann ein paar tolle Fotos schiessen.


Tag fünf | Sälka - Singi
Gletscher und Rentiere im Tjäktjavagge


Nebel ziehen um die hohen Gipfel und Gletscher des Sälka, es soll aber trocken bleiben und ich entscheide mich, nach Singi weiterzulaufen. Ich lasse mir Zeit, schaue mir die wilde Landschaft an. Immer wieder sehe ich in der Ferne Rentiere. Zwischen den Wolken sind auch immer wieder Gletscher zu sehen und ich bummle durch das Tjäktjavagge. Was würden wir hier auch tun, wenn wir keine Zeit haben, denke ich mir. Eine Weile unterhalte ich mich mit einem Iren, der ebenfalls auf dem Kungsleden unterwegs ist. Links erblicken wir plötzlich den tief verschneiten Kebnekaise, dort werde ich mich zwei Tage später im Regen und Sturm hinaufkämpfen. 
Bei einer kleinen Biwakhütte mache ich eine kurze Mittasrast und treffe dort einen Sarden, dem ich schon in Tjäktja getroffen habe. Der Arme hat am zweiten Tag seine Zeltstangen verloren, hat bis jetzt aber zumindest in jeder Hütte noch einen Platzt bekommen. Auch mit einem Neapolitaner komme ich ins Gespräch: er hat noch wenig Wandererfahrung und nutzt die Hütteninfrastruktur, ist aber sichtlich hin und weg vom Fjäll und ich kann das verstehen. Der Weg führt nun kurz leicht aufwärts, bevor es steil hinunter zu den Singi-Hütten geht. Oben quert eine Rentierherde in aller Ruhe den Wanderweg, ein toller Anblick.
Bei den Singihütten halte ich mich nur kurz auf, es gibt dort auch keine guten Zeltplätze. Der Hüttenwart meint aber, dass ich auf dem Weg zur Kebnekaise Fjällstation beim
See Lássajávri, kurz vor dem Pass tolle Plätze mit frischen Wasser und schöner Aussicht finde. Und tatsächlich, etwas oberhalb des Sees liegt eine kleine Platform. Ich baue das Zelt auf und kurz kommt die Sonne heraus. Ich nutze die Gelegenheit und laufe hinunter zum See, um mich ausgiebig zu waschen. Dann gönne ich mir eine Portion Apple Crumble und einen Kaffee dazu, danach mache ich es mir mit meinem Buch gemütlich.


Tag sechs | Singi - Kebnekaise
Zur berühmten Fjällstation am Fuss von Schwedens höchstem Berg


Entgegen der Wetterprognose in den Singihütten  ist es am Morgen zwar bewölkt, aber es regnet nicht. Also packe ich das Zelt zusammen und wandere gemütlich vom See Lássajávri los. Es geht auf und ab, die Landschaft wird alpiner, steile Felsflanken rahmen das Tal ein, welches hinunter zur Kebnekaise Fjällstation führt. Am Ende des Sees sehe ich noch eine Gruppe Rentiere, dann bin ich alleine unterwegs. Wieder einmal täusche ich mich in den Entfernungen: der Weg zieht sich und als ich den weiten Talboden erreiche, mache ich eine längere Rast und packe den Speck aus, den ich nun schon gut achtzig Kilometer mit mir herumgetragen habe.
Die Kebnekaise Fjällstation ist wie ein kleines Dorf und liegt knapp unterhalb der Waldgrenze in einem lichten Birkenwald. Ich suche mir einen Zeltplatz hinter der Station gleich neben dem Weg nach Nikkaluokta. Neben mir zelten ein paar Italiener, die mir Tipps zum Kebnekaise geben. Es wird sich aber herausstellen, dass die Bedingungen deutlich schneller wechseln als erwartet.
In der Fjällstation, die die schwedische Alpingeschichte aufleben lässt, ist viel los. Es ist Freitagabend und viele Schweden sind wohl über das Wochenende hierher gekommen, für Wanderungen im Fjäll oder für eine Besteigung des Kebnekaise. Viele zu Fuss, aber auch einige mit dem Helikopter, wenngleich die Fjällstation dies nicht goutiert, unterbindet sie es auch nicht. Trotzdem gefällt mir die Stimmung in der Fjellstation. Ich sitze den ganzen Abend an der Bar, beobachte das Treiben und lese mein Buch.


Kebnekaise Sydtopp
Abstecher zum Kebnekaise, dem Dach Schwedens


Ich starte früh. Die Nacht war windig und der Himmel ist wolkenverhangen. Leider wird sich das über den Tag auch nicht bessern. Ich hatte gehofft dass sich die Wolken mit der Sonne etwas auflösen. Aber die Sonne hat keine Kraft hier im Norden. Zunächst führt ein schöner Weg bis zum ersten Bach, der viel Wasser führt. Ich furte weiter oben und gehe dann zum Weg zurück, der bald absteigt und steil in einen Kessel führt. Wieder ist ein Bach zu furten, dann führt eine Brücke über den nächsten. Bei einem Steilaufschwung führen steinerne Stufen hoch. Die Schweden haben dafür Sherpas einfliegen lassen, die ihnen dort eine Treppe in den Hang gezimmert haben. Es ist warm, aber weiter oben beginnt es zu regnen und der Wind wird stärker. Ich kämpfe mich über den Vorgipfel und hinunter in das Tal das mich vom Kebnekaise trennt. Der Sturm peitscht mir den Regen in die Seite, während ich die letzten sechshundert Höhenmeter aufsteige. Ich komme an der Biwakhütte vorbei und bald darauf an der zweiten, neuern Hütte die kurz unterhalb des Gipfels steht. Ich gehe weiter und gelange an das Eisschild am Gipfel. Der Regen hat den Schnee weggeschmolzen und nur mit Mühe schaffe ich den ersten Aufschwung, dann ist aber Schluss ohne Steigeisen, auf die letzten Meter zum Gipfel muss ich verzichten. Ich laufe hinunter zur Hütte und treffe einen Deutschen, mit dem ich dann einen Teil des Abstiegs gemeinsam gehe. Der Abstieg ist mühsam und lang. Nur gut, dass die letzten Kilometer immer erst am Ende kommen. In der Kebnekaise Fjällstation gönne ich mir eine Dusche und ein Bier und kann gleichzeitig die Kleider und Schuhe im Trockenraum trocknen.


Tag acht & neun | Kebnekaise - Nikkaluokta
Absolute Stille


Ich habe noch einen zusätzlichen Tag übrig, also teile ich die letzte, lange Etappe nach Nikkaluokta in zwei Teile. So kann ich am Vormittag noch die gemütliche Sonntagmorgen-Stimmung in der Lounge der Fjällstation geniessen und dann erst zu Mittag ohne Zeitdruck loslaufen. Am Morgen nieselt es noch ein bisschen, aber das Wetter wird nach und nach besser. Als ich losgehe scheint die Sonne, aber ein starker Wind weht durch das Tal zu den Bergen, die noch in den Wolken stecken. Es geht abwärts, kurz kann ich einen Blick in das Tarfala-Tal mit der berühmten Forschungsstation werfen, dann werden die Birkenwälder immer dichter. Der Weg führt mich nun oberhalb eines Sumpfgebiets bis zur Bootsanlegestelle, von wo man den Weg nach Nikkaluokta mit einer Überfahrt über den Láddjujávri um gut sieben Kilometer abkürzen kann. Ich habe aber ja Zeit also folge ich zu Fuss dem Weg. Auf Höhe des Sees finde ich eine wunderschöne Waldlichtung, kurz bevor ein Bach mit Frischwasser den Weg quert. Hier bleibe ich und stelle mein Zelt auf. Am Abend laufe ich zum Bach um Wasser zu holen, dort hat ein Mädchen mit ihrem Hund ihr Zelt aufgeschlagen. Wir plaudern ein paar Worte, dann lege ich mich ins Zelt. Als ich am anderen Morgen alles zusammenpacke und starte, sehe ich ein weiteres Zelt in der Nähe.
Nun sind es nur noch ein paar Kilometer nach Nikkaluokta. Am Ende des Sees wird der Weg breiter, das Panorama wird  immer mehr verdeckt und auch das Wetter zieht zu. Eine Kaltfront zieht auf, die noch am Nachmittag viel Regen bringen soll. Mich nervt der breite Schotterweg ein bisschen und so versuche ich, das letzte Stück möglichst schnell hinter mich zu bringen. Vielleicht auch, weil ich weiss, dass dieses kleine Abenteuer in Nikkaluokta zu Ende  gehen wird.



Praktisches
Essen | Schlafen | Wandern

Karte minkarta

Anreise Zürich - Stockholm und von dort entweder mit dem Nachtzug über Kiruna nach Abisko oder per Flugzeug nach Kiruna und von dort weiter mit dem Zug

Ausgangspunkt Abisko Tourist Station

Rückreise Mit dem Bus von Nikkaluokta nach Kiruna

Literatur Reise Know-How Kungsleden - Trekking in Schweden. Claes Grundsten

Ausrüstung
🎒 ⛺️ 👕 🔦 🍳 📷  🥖  📖 🎒 👞 ☕ 👖 ⌚ 🔦 🍔 🍳 ☕ 🍫

Das Wetter ist, wie es ist und gerade (aber nicht nur) im September kann von Sonne, Regen, Sturm und Schnee alles dabei sein. Ich trage lieber etwas mehr und habe dafür ein robustes Zelt mit ausreichend Platz, das mich auch bei Sturm und starkem Regen ruhig schlafen lässt und etwas Komfort bietet, wenn man einmal einen halben Tag besseres Wetter abwarten muss. Die Ausrüstung muss für mich im Innenraum Platz haben und das Vorzelt muss gross genug sein, damit man bei geschlossenem Zelt kochen kann.
Dasselbe gilt für Schlafsack, Isomatte und Kleidung. Warme und winddichte Kleidung nach dem Schichtenprinzip, eine lange, etwas festere Hose, dafür mit ausreichend Belüftungsöffnungen. Handschuhe und Mütze gehören ebenfalls griffbereit in den Rucksack. Einen Poncho mit ausreichend Platz für einen grossen Rucksack hätte ich mir gewünscht, so sind auch die Träger und der Zwischenraum zwischen Rucksack und Rücken geschützt.


Ich trage lieber etwas höhere, wasserfeste Schuhe, die auch den ein oder anderen Fehltritt verzeihen. Die Wanderstöcke geben auf dem unruhigen Untergrund zusätzliche Stabilität.
Beim Essen setze ich auf möglichst energiereiche und haltbare Lebensmittel. Zum Frühstück stärkt Müsli und Kaffe, unterwegs gibt es Aufschnitt, Crackers, Schokolade und Müsliriegel. Am Abend wird dann „gross“ aufgetischt: Trockennahrung in abwechselnden Variationen. Natürlich darf ein gemütlicher Kaffee danach nicht fehlen.
Was macht den Rucksack schwer? Ich habe lange überlegt, welche Kameraausrüstung ich mitnehme und habe mich schliesslich für alles entschieden: Systemkamera mit Wechselobjektiv, Drohne und einen entsprechende Akku. Und ich habe es nicht bereut: die meistens nicht allzulangen Tagesetappen lassen viel Zeit zum Fotografieren.

September 2023 © michaeldellantonio