Island | Laugavegur


Island
Laugavegur | Fimmvörðuháls
 
 
Reykjavík
Ein Feuerwerk zur Begrüssung oder
„the worst place to stay“
 
Wenn ich vom Flughafengebäude nach draussen trete habe ich in Island immer das Gefühl, die Insel will mich gleich wieder los werden. Dieses Mal kommt das Gefühl schon zwei Tage früher: Auf dem Weg zur Arbeit scrolle ich durch die News vom Morgen. Normalerweise sind die neuen Beiträge um diese Zeit noch dürftig, aber an diesem Morgen bleibe ich bei einem Bild hängen. Ein Vulkanausbruch. Natürlich. Auf Island. Natürlich. Kurz darauf folgt eine E-Mail von der Iceland Air zur Beruhigung: Alles normal, alle Flüge finden wie geplant statt.
Die Wetterwarnungen vor starkem Wind und Regen kamen schon eine Woche früher, da hatte ich gerade die isländische Wetterapp auf dem Smartphone installiert.
Beim Anflug auf den Flughafen in Keflavik passieren wir bläuliche Rauchschwaden, erste Grüsse von der neuen Eruption auf Reykjanes. Vom Bus nach Reykjavik aus sind die Rauchwolken ebenfalls zu sehen, ganz nah an der Hauptstrasse. Die Eruption selbst bleibt im Tageslicht hinter dem Rauch verborgen.
Ich besorge schnell noch zwei Gaskartuschen in der Stadt bevor die Outdoor-Läden schliessen, dann treffe ich Gustavo im Hostel. Während wir in der Stadt Fish‘n Chips essen, überlegen wir fieberhaft, wie wir am Abend zum neuen Vulkan kommen könnten und ob es sich überhaupt lohnt. In der Stadt ist viel los, es ist ein Strassenfest. Wir kommen mit einem Mitarbeiter des Strassendienstes ins Gespräch und er überzeugt uns schliesslich, nach Reykjanes zu fahren und es zu versuchen. Als wir auf der Fussgängerbrücke vor unserem Hotel stehen, können wir einen orangen Schimmer am Horizont ausmachen. Nun sind wir restlos überzeugt. Ein gebürtiger Äthiopier chauffiert uns also in Richtung Vulkan, die teuerste Taxifahrt meines Lebens. Auf dem Weg dorthin sehen wir den Himmel am Horizont blutrot leuchten, fast könnte man meinen, wir sind in Tolkien’s Mittelerde auf dem Weg nach Mordor. Und dann sehen wir die Lavafontänen, die die neue Spalteneruption an mehreren Stellen ausspuckt. Ein unglaublicher Anblick brachialer, roher, aber unglaublich schöner Gewalt. Beim zweiten Stop am Standstreifen des Highways wird die Situation plötzlich etwas verzwickt. Die Polizei verscheucht unseren Taxifahrer und wir stehen plötzlich alleine da, im Wind und im Dunkeln, auf dem Highway, neben uns der Lava spuckende Vulkan.
Aber schon läutet das Handy und der Taxifahrer ist dran, nach einigen Missverständnissen verstehen wir uns endlich: er wartet weiter vorne, also laufen wir -auf der Autobahn- vor und springen ins Auto.
Knapp eine Woche später werden wir wieder in Reykjavik sein. Dann geniessen wir das überbordende Nachtleben im Zentrum, mit den vielen Livebands und dem teuren Bier, das uns am morgen mit Kopfweh und leerer Geldtasche aufwachen lässt. Tags darauf mache ich mich auf auf eine Runde durch das Hafenviertel und bis hinaus zum Leuchtturm. Kurz vor dem Leuchtturm gibt es eine kleine heisse Quelle, die mit einem ausgehöhlten Stein zu einem warmen Fussbad umfunktioniert wurde, mit Blick hinaus über die Bucht von Reykjavik.
 


Laugavegur
In vier Tagen von Landmannalaugar nach  Þórsmörk

Landmannalaugar
Kalte Oase im Hochland

Der Bus startet früh in Reykjavik. Wir spüren noch den Lauf von der Nacht hinter unserem Taxi her auf dem Highway in den Beinen. Noch können wir etwas entspannen. Der für die Hochlandpisten taugliche Offroadbus fährt über Hella und biegt vor Stöng auf die Piste mit der Nummer F225 ab. Nun geht es langsam, manchmal im Schritttempo durch eine von Vulkanen geprägte Landschaft, mehrere kleine Furten meistert der Bus locker und auch die Querung des Jökulgiskvísl kurz vor Landmannalaugar schaffen wir problemlos und da tut sich uns auch schon dieser fantastische Anblick von Landmannalaugar am Fuss des gewaltigen, scheinbar gerade eben erkalteten Lavastroms auf. Der Zeltplatz neben der FÍ-Hütte ist hart und steinig. Dort, wo wir keinen Hering in den Boden bekommen oder wo sie nicht halten, nehmen wir zum Sichern der Zelte grosse Steine, die überall auf dem Platz verstreut herumliegen. Wir haben Glück mit dem Wetter und müssen auch in der Nacht keinen Sturm fürchten. So sehr Landmannalaugar einer Oase in der kargen Wildnis Islands gleicht, bei Sturm kann es hier mehr als ungemütlich werden.


 
Nordlichter
Die erste Nacht im Zelt ist klar. Und nachdem sich im Camp in Landmannalaugar die letzten hingelegt haben, erscheint plötzlich ein grüner Schimmer am nordwestlichen Horizont. Nordlichter. Nordlichter sehen ist ein bisschen wie auf Safari sein. Es gibt keine Garantie auf Erfolg, dafür freut man sich umso mehr, wenn man welche sieht.
 

 
Tag eins | Bláhnúkur
Hoch über Landmannalaugar
 

Der Bláhnúkur gehört nicht direkt zum Laugavegur, es lohnt sich aber diesen in einem zusätzlichen Tag zu besteigen. Sobald wir uns eingerichtet haben, wandern wir also an der FÍ-Hütte und der heissen Quelle vorbei hinauf zum Lavafeld Laughraun.
Dann stehen wir plötzlich vor einem Schild mit der Aufschrift Dead End. Das bekommt hier zwischen Solfataren und Schwefelgestank gleich eine andere Bedeutung. Wir steigen also wieder etwas ab und queren nun an der richtigen Stelle das Lavafeld hinüber zum Bláhnúkur. Zunächst an dessen Flanke querend gelangen wir auf den Grat, das Panorama weitet sich jetzt mit jedem Schritt. Am Gipfel geniessen wir die Aussicht bis zu den grossen Gletschern des Vatnajökulls und des Hofjökulls, bevor wir auf der Nordseite steil auf Sand absteigen. Der Weg erinnert mich ein bisschen an den Abstieg vom Kraterrand des Kilimandscharo. Zurück in Landmannalaugar nutzen wir die Gelegenheit für ein ausgiebiges Bad im warmen Fluss, den wir über einen Holzsteg durch ein kleines Biotop erreichen. Es ist nicht leicht, im Wasser den richtigen Ort mit der richtigen Temperatur zu finden, aber hat man das geschafft, ist es wunderbar angenehm.
In der Nacht hat es Minusgrade. Der Himmel ist klar und auf dem Zelt setzt sich Reif ab. Gustavo weckt mich: Nordlichter, Nordlichter. Und tatsächlich zeigt sich am Nachthimmel ein leicht grün schimmernder Vorhang.
 

 
Tag zwei | Landmannalaugar - Hrafntinnusker - Álftavatn
Vom Schnee hinunter nach Álftavatn

Tourenbericht Landmannalaugar - Hrafntinnusker

Die Sonne weckt uns und es ist beinahe windstill, also frühstücken wir gemütlich vor dem Zelt, packen alles zusammen und machen uns auf den Weg. Diese erste Etappe ist geprägt von dampfenden Solfatarenfeldern und vulkanischer Aktivität. „The Trolls are cooking“ meinte die Reiseleiterin auf dem Golden Circle später zu all diesen rauchenden und dampfenden Solfataren, die es an vielen Orten auf Island gibt.
Und Schafe: überall sind Schafe. Meistens nur zwei oder drei zusammen, aber dafür überall. Vor allem in der Nähe von Solfataren oder heissen Quellen scheinen sie es zu mögen.
Um nicht den gleichen Weg wie am Vortag zu gehen, wandern wir durch die Schlucht Grænagil hinauf zum Lavafeld Laughraun. Hier müssen wir aufpassen, wo wir hintreten, besonders mit dem schweren Rucksack könnte ein Fehltritt unangenehme Folgen haben.
Nach dem Solfararenfeld tauchen wir in eine Welt aus Rhyolithbergen ein und wandern über manchmal steile Rücken auf eine weite Hochebene. Hier haben wir einen dreihundertsechzig Grad Rundunblick und wir nutzen die weite Aussicht für eine kleine Pause. Der Weg führt nun leicht abwärts und bald hören wir zunächst ein Wummern, dann ein Zischen und Fauchen, das den Solfatar Stórihver ankündigt. In einer Spalte brodelt es, weisser Dampf steigt auf. Und nicht weit davon entfernt wieder ein paar Schafe. Rund um das Solfatarenfeld ist es grün, aber bald schon ändert sich das Landschaftsbild wieder, als wir eine kleine schwarze Sand- und Geröllwüste durchqueren. Der Gebirgspass Hrafntinnusker ist der höchste Punkt des Laugavegur und uns pfeift ein kalter Wind um die Ohren.
 
Tourenbericht Hrafntinnusker - Álftavatn
 
Wir ducken uns an die windgeschützte Hauswand der nahegelegenen, gleichnamigen FÍ-Hütte. Eigentlich wollten wir die Tagesetappe hier beenden, aber so richtig gemütlich ist es hier mit all dem Wind, dem Schnee und dem Eis und die Zeltplätze schauen mit dem schwarzen Lavasand zwischen aufgeschichteten Steinwänden kommen auch nicht sehr einladend daher. Also entscheiden wir, weiterzugehen. Zunächst geht es abwärts, aber immer wieder müssen wir steile Rhyolithberge erklimmen ehe uns ein letzter, längerer Anstieg auf das Plateau am Gletscher Myrdalsjökull führt. Es regnet leicht, immer noch bläst ein kalter Wind und da und dort raucht und zischt der Boden unter uns. Aber dann, die Wolken verziehen sich und wir sehen die grüne Landschaft rund um den See Alftavatn, mit Bergen wie aus einer Kinderzeichnung und riesigen Gletscherflächen dahinter. Der Weg stürzt steil über die Kante hinunter und gelangt an einen Gletscherbach, den wir gemeinsam mit anderen furten. Sie stellen sich etwas ungeschickt an und es sieht wilder aus als es ist, aber wir schaffen es problemlos mit trockenen Schuhen ans andere Ufer. Bald treffen wir auf einen jungen Franzosen, der seit zwei Stunden seinem Handtuch nachläuft, das der Wind davon getragen hat. Er wandert mit uns zurück nach Álvtavatn. Der Wind frischt auf und wir sind froh, als die Zelte etwas unterhalb der Hütte stehen und abgespannt sind. Zeit für ein gemütliches Abendessen.
 


Tag drei | Álftavatn - Emstrur
Über grüne Hügel zur Einöde von Emstrur
 


Der Tag startet trüb und wolkenverhangen. Es nieselt leicht. In der Nacht hat der starke Wind immer wieder an den Zelten gerüttelt und uns aufgeweckt. Heute wartet eine spannende Etappe auf uns: wir müssen zwei Flüsse furten und die schwarze Sandwüste Emstrur durchqueren. Wir packen zusammen und machen uns im Nieselregen auf. Nach kurzer Zeit erreichen wir  den Bratthálskvísl, der gemächlich vor sich hin plätschert.
Beim Furten auf dem Laugavegur ist es wichtig, präsentable Unterwäsche anzuhaben, wenn man die Hosen nicht genügend hochkrempeln kann oder will. An den Flüssen konzentriert sich das Wandervolk, ähnlich einer Ziehharmonika, während sich die Menge auf offener Strecke auseinanderzieht. Hier ist man also vielen Blicken ausgesetzt, dementsprechend sollte man also gekleidet sein. Ein fester und sicherer Schritt und möglichst nicht das Gesicht verziehen. Schnell durch, bevor die Füsse vom kalten Gletscherwasser taub werden.
Also furten wir und ziehen uns auf der anderen Seite schnell wieder an. Der Weg führt nun kurz steil bergauf und fällt dann in ein Tal ab, in dem die Hütten Hvanngil liegen. Nach einer kurzen Rast geht es weiter und wir gelangen bald zum Gletscherfluss Innri-Emstruá. Bei dem trüben Wetter ist er auch am späten Vormittag nicht stark angeschwollen, dafür aber kalt. Sehr kalt.
Jetzt tauchen wir in die Sandwüste Emstrur ein, wie auf Knopfdruck ändert sich die Landschaft. Und wieder muss ich Tolkien‘s Mittelerde bemühen, um diese Landschaft zu beschreiben: Am Horizont grüne Hügel und Berge, um uns herum nichts als schwarzer Lavasand. Da und dort krallen sich kleine Pflanzen in den Lavaboden und trotzen der rauen Umgebung.
Der Weg ist beeindruckend, aber bald auch eintönig. Und er zieht sich. Hier fällt mir Are Kalvø ein, der in seinem Buch Frei.Luft.Hölle schreibt, dass Bergwanderungen zuweilen eine elende Dramaturgie haben: Sie fangen gut an und entwickeln sich schön auf einen Höhepunkt hin, den man nach etwa der Hälfte erreicht. Danach kommt der längste und langweiligste Teil, bei dem man sich nur noch darauf freut, das Ende zu erreichen. Er vergleicht es mit einem Krimi bei dem der Mörder nach 40 Minuten gefasst wird. Danach folgt eine gute Stunde, in der der Held am Schreibtisch sitzt und Papierkram erledigt.
Zum Glück erreichen wir irgendwann doch noch Emstrur. Die Zelte ducken sich vor dem Wind ins kleine Tal unterhalb der Hütten von Emstrur. Der sandige Boden bietet wenig Halt, mit einigen Felsbrocken können wir die Zelte dann doch einigermassen gegen den Wind verstärken. Glücklicherweise lässt dieser aber sowieso nach.
Wir haben noch ein wenig Zeit und so wandern wir hinaus zur Markarfljótsgljúfur, eine beeindruckende Schlucht die die Markarfljót mit ihrem Gletscherwasser hier in das Vulkangestein gegraben hat.



Tag vier | Emstrur - Þórsmörk
Zu den Birkenwäldern Þórsmörks
 
 
Über Nacht hat es leicht geregnet und auch am Morgen packen wir die Zelte bei leichtem Nieselregen zusammen. Warnschilder weisen uns darauf hin, dass der nächste Abschnitt ungemütlich werden kann. Zumindest wenn der Katla ausbricht, der unterhalb des gigantischen Eisschilds des Myrdalsjokull immer noch aktiv ist und in regelmässigen Abständen auch ausbricht. Eine ganz konkrete Gefahr sind Gase, die sich bei Windstille in Mulden sammeln und zu Erstickung führen können. Wir haben Glück, es geht etwas Wind und der Katla bleibt ruhig. Der Weg führt zunächst über eine Hochebene und fällt dann steil hinab zur Brücke über die Fremri-Emstruá. Der Aufstieg auf der anderen Seite ist kurz versichert, aber nicht schwierig. Dann geht der Weg wieder relativ flach. Auf einer Anhöhe machen wir eine Pause. Hier dreht der Weg nach Süden und führt uns anfangs noch durch ansprechendes Gelände, bis er schliesslich abfällt. Die Schritte hören sich hier dumpf an, man hat das Gefühl als wäre der Boden darunter dumpf. Die ersten Schafe tauchen auf, die sich hier durch die wenigen Grasbüschel fressen und der Weg beginnt sich zu ziehen. Er dreht plötzlich nach Links in die Büsche und ganz unvermittelt stehen wir auf einer Brücke über der tiefen Schlucht des Gletscherflusses Ljósá, die im Birkendach kaum zu sehen ist. Nach dem steilen Anstieg auf den Kápa machen wir Mittagspause. Wir breiten die Zelte aus, damit sie trocknen können. Das Rauschen der Pröngá ist im kurzen Abstieg schon von Weitem zu hören. Wir halten uns flussaufwärts, weil wir dort andere Wanderer beim Furten sehen. Das Wasser ist eiskalt, deshalb beeilen wir uns, auf die andere Seite zu kommen. Ein lichter Birkenwald deutet auf das -für isländische Verhältnisse- milde Klima von Þórsmörk hin, es duftet herrlich nach Blumen. Der Weg selbst ist allerdings weniger schön: eine Piste führt über den Hügel in wildem Auf und Ab, bis er schliesslich wieder in die Ebene hinab führt und wir das Camp von Húsadalur in Þórsmörk erreichen. Hier gönnen wir uns die Sauna, die wir uns mit einem älteren Pärchen aus den USA und einem Mädl von den Osterinseln teile. Sie meint, sie sei wohl die erste ihrer Landsleute, die bis nach Island reist.
Vor der Hütte macht jemand ein Feuer und das Abendrot lässt schon erahnen, dass der nächste Tag selten gutes Wetter verspricht.



Fimmvörðuháls
Über den Fimmvörðuháls und der Skógá entlang


Tag fünf | Valahnúkur
Durch Thors Tal, Land der Götter

 
 
Blauer Himmel und fast windstill. Das schöne Wetter hat sich bereits angekündigt. Heute haben wir nur eine kurze Zwischenetappe vor uns. Von Húsadalur wollen wir über den vierhundertfünfundsechzig Meter hohen Aussichtsberg Valahnúkur nach Básar wandern. Das schwierigste an dieser Etappe ist wohl, die mobilen Brücken über die wilde Krossá zu finden, aber bei diesem schönen Wetter ist auch das kein Problem und wir können sie schon vom Gipfel ausmachen. Die Brücken werden wohl manchmal täglich verschoben, weil die Krossá ständig den Lauf im breiten Flussbett ändert. Der Valahnúkur ist ein beliebtes Ausflugsziel und es führt von beiden Seiten ein schöner Weg nach oben. Mit jedem Schritt nach oben wird das Panorama besser, bis wir schliesslich am Horizont sogar das Meer erkennen können. Beeindruckender sind nur die riesigen, in der Sonne gleissenden  Gletscherflächen des Eyjafjallajökull und des Mýrdalsjökull im Süden und im Osten von Þórsmörk, kein Vergleich zu den kümmerlichen Resten in den Alpen.
Wir machen eine ausgiebige Pause am Gipfel des Valahnúkur, geniessen die Aussicht und essen etwas vom Proviant, damit wir morgen möglichst wenig auf der langen Etappe über den Fimmvörðuháls schleppen müssen.
Der Abstieg geht schnell und bald erreichen wir die FÍ-Hütte Langidalur, die das offizielle Ende des Laugarvegur markiert. Das wäre auch ein wunderbarer Zeltplatz, grüne Wiesen und dazwischen ein kleiner Bach, mit Blick auf die grossen Gletscher und das weite Schwemmland der Krossá. Die Brücken, aus alten Kranauslegern mit untergeschobenem Fahrwerk gebaut, sind nicht weit und so sind wir schnell auf der anderen Seite und bald in Básar. Der Campingplatz ist weitläufig und immer wieder von Wald und Büschen durchzogen, die taleinwärts immer weniger werden. Wir suchen uns einen schönen Platz etwas abseits vom Weg und haben das Gefühl, irgendwo in der Wildnis zu sein. Ein letztes Abendessen im Freien, dann gehen wir früh schlafen. Am nächsten Tag haben wir grosses vor auf der Flucht vor der Schlechtwetterfront.



Tag sechs | Fimmvörðuháls - Skógar
Durch eine neue Welt
Der Wind drückt Nebelfetzen vom Fimmvörðuháls herab, die die Landschaft in ein unwirkliches Licht tauchen, wie düstere Aquarell-Farben auf dem Weg in die Hölle. Und der Vergleich hinkt nicht so sehr, oben angekommen, durchqueren wir das erst
2010 bei der grossen Eruption des Eyjafjallajökull entstandene Blocklavafeld Goðahraun, gespickt mit scharfkantiger, dunkler Lava. Der vor kurzem neu angelegte Weg führt etwas östlich der neuen Krater Magni und Móði vorbei, die nach den Söhnen des Gottes Thor benannt wurden. Der Nebel zieht weiter zu, wir sehen kaum noch die Markierungsstangen. Nachdem wir einen kleinen, kreisrunden Krater überquert haben, durchwandern wir eine kurze Hochebene, die unter einer dicken Ascheschicht liegt. Der leichte Regen wird stärker, der Wind peitscht ihn uns ins Gesicht. Das weitläufige Gelände auf dem Fimmvörðuháls ist unübersichtlich, es geht auf und ab, über meterhohe, büsserschnee-ähnliche Gletscherreste und durch Aschefelder, bis es endlich länger abwärts geht und unvermittelt die FÍ-Hütte Baldvinsskáli vor uns auftaucht. Wir treten ein und fragen um einen Kaffee, den uns die Hüttenwartin gerne anbietet. So können wir uns bei einem interessanten und kurzweiligen Gespräch ein bisschen aufwärmen und trocknen. Als wir zahlen wollen winkt sie ab. Der Kaffe sei ihr eigener und nicht des FÍ und wir wären ihre Gäste gewesen, deshalb hätten wir auch nichts zu bezahlen. Also bedanken wir uns, packen uns wieder ein und schultern ein letztes Mal die schweren Rucksäcke.


Nun geht es mehrheitlich abwärts. Anfangs noch durch eine unwirtliche Einöde, wird es zunehmend grüner, je näher wir der Skógar kommen. Kurz vor dem Fluss zweigt der Wanderweg wieder von der Piste ab und führt uns nun immer dem Fluss entlang an viele  spektakulären Wasserfällen entlang hinunter. Je näher wir dem Ziel kommen, deste mehr Menschen begegnen uns, bis am Schluss schliesslich auch der Weg gesichert ist, damit die vielen Leute, die vor allem wegen des Skógarfoss kommen, die fragile Natur nicht verletzen.
Das obligatorische Foto vor dem Skógarfoss, dann suchen wir die Unterkunft, die wir noch schnell für diese Nacht gebucht haben. Der Bus zurück geht erst am nächsten Nachmittag, genug Zeit also, um bei viel Kaffee die Wanderung Revue passieren zu lassen, während wir aus der gemütlichen Wohnküche das schlechte Wetter beobachten.



The Golden Circle
The Trolls are cooking

Nach zwei verregneten Tagen, die ich vor allem damit verbracht habe, durch Reykjavik zu streunen, mache ich eine geführte Bustour zum Golden Circle. Ein Kompromiss, da mir ein Mietauto für einen Tag zu aufwändig war. So kann ich gemütlich im Bus sitzen. Mit dem Nachteil, dass die Tour ordentlich durchgetaktet ist und am Ende an den einzelnen Sehenswürdigkeiten nicht allzuviel Zeit bleibt. Dafür erzählt die Reiseleitern während der Fahrt viele interessante Details zur Geschichte und zur Flora und Fauna auf Island.
Am Gullfoss stürzen jetzt im Sommer gewaltige Wassermassen über zwei Stufen in eine tiefe Schlucht. Während das Wasser im Winter klar und blau ist, ist es jetzt trüb und grau von den aus dem Gletscher gelösten Schwebstoffen. Es ist etwas mehr los als im Winter, aber die Wege oben am Plateau sind dennoch nicht allzu stark besucht und daher beschliesse ich, dort eine kleine Runde zu gehen, bevor wir wieder in den Bus steigen und weiter zum Geysir fahren. Dort ist dann schon mehr los. Trotzdem finde ich gleich einen Platz um den Strokkur, dem aktivsten Geysir in der Gegend. Heute ist es warm und ich muss nicht Angst haben, dass mir die Finger am Auslöser anfrieren und so gelingen mir ein paar nette Fotos. Nach dem obligatorischen  Stop am þingvallavatn geht es zurück nach Reykjavik. Ein letzter Abend in der Stadt, dann gehts zurück nach Hause.



Praktisches
Essen | Schlafen | Wandern
 
🍔⛺️🔥🥘🎒🕶️👕🛏️🍖🥓🔪🧢👖💡⌚️📷📖🔦👞🥖🥪⛺️🧢
Ich orientiere mich an meiner Packliste für den Kungsleden. Das konnte ich gut tragen und ich habe auch nichts vermisst. Die Essenrationen passen wir an die Länge der Tour an und aufgrund der Einfuhrbestimmungen in Island verzichten wir auf Speck oder Salami. Ansonsten gibt es einen Mix aus Müsli zum Frühstück, Dörrobst, Müsliriegel und am Anfang noch Käse und Schinken unterwegs. Am Abend begnügen wir uns mit Trekkingnahrung aus der Packung. Gas für den Kocher holen wir uns in einem Outdoorladen in Reykjavik. Für die Tagesetappen kommt jeweils ein guter Liter Wasser in den Rucksack, auf dem Laugavegur können wir nicht immer unterwegs auffüllen, da das Wasser nicht überall trinkbar ist. Bei den FÍ-Hütten gibt es jeweils Trinkwasser.
Ich habe warme Kleider mit und den dicken Daunenschlafsack. Es hätte auch weniger getan denn wir hatten vergleichsweise mildes und angenehmes Wetter, aber Island kann natürlich auch anders. Regenhose, Windjacke und Regenschutz für den Rucksack waren dafür regelmässig im Einsatz. Der kontinuierliche Wind trocknet die Kleider aber schnell, wenn es wieder aufgehört hat zu regnen. Ein gutes, wind- und wetterfestes Zelt ist schliesslich das A und O für angenehme Nächte. Der Boden ist oft sandig oder steinig, dort kann man sich für das Fixieren des Zelts mit grossen Steinen behelfen. Wir vermeiden es grundsätzlich, auf den windigen und kalten Pässen zu übernachten und hängen deshalb auch Etappen zusammen.
Trekkingstöcke und Sandalen machen das Furten durch die Gletscherflüsse einfacher, das kalte Wasser müssen wir natürlich aushalten. Im Nachhinein ist es aber ohnehin jedesmal eine Wohltat, die Füsse kurz zu kühlen. Schliesslich darf auch die Kameraausrüstung nicht fehlen.

fotos August-September|2024 © gustavosteffens | michaeldellantonio